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26.11.2012

EU-Studie: Klimawandel hat Europa bereits spürbar verändert

Der Klimawandel hat umfangreiche Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt in ganz Europa. Zu diesem Ergebnis kommt eine jetzt veröffentlichte Studie der Europäischen Umweltagentur (EEA), die mit potenziellen Schäden in beträchtlicher Höhe rechnet und daher Mitgliedstaaten aufruft, mehr für die Anpassung zu tun.

Mit drastischen Auswirkungen rechnen die Forscherinnen und Forscher auch für die Artenvielfalt. Ein Fünftel der Lebensräume und jede zehnte europäische Art sind durch den Klimawandel bedroht. Der Klimawandel schreitet so schnell voran, dass viele Arten nicht mithalten können. Das ist vor allem dort der Fall, wo die Landschaft fragmentiert wurde und Lebensräume nicht mehr miteinander verbunden sind, so Kernaussagen des Kapitels „Terrestrische Ökosysteme und Biodiversität“, für das die Leitautorenschaft am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) lag.

Im Rahmen eines Topic Center für die Europäische Umweltagentur (EEA) hat das UFZ zum Bericht „Klimawandel, Auswirkungen und Gefährdung in Europa 2012“ beigetragen. „Die sorgfältige Auswahl und Bewertung der zugrundeliegenden Indikatoren von arktischem Meereis über Dürren bis hin zur Verbreitung von Tier- und Pflanzenarten war eine große Herausforderung“, sagt Dr. Andreas Marx vom Mitteldeutschen Klimabüro am UFZ.

Feuchtgebiete wie Moore und Sümpfe sind inzwischen nicht nur durch die Landnutzung, sondern auch durch den Klimawandel die gefährdetsten Lebensraumtypen. Während es viele kälteliebende Arten zunehmend schwerer haben und versuchen, nach Norden oder in höher gelegene Gebiete auszuweichen, werden vor allem wärmeliebende Insekten zu den Gewinnern zählen – mit Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. 

Neben den Gefahren durch Hitzewellen wird vor allem die Übertragung von bestimmten Krankheiten an Bedeutung gewinnen. Beispielsweise ermöglicht der Klimawandel Zecken wie dem Gemeinen Holzbock (Ixodes ricinus), der Zeckenborreliose und Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) überträgt, weiter im Norden zu leben. 

Eine weitere Erwärmung begünstigt auch die Ausbreitung von krankheitsübertragenden Mücken und Sandmücken. Die Pollensaison wird länger und stellt sich 10 Tage früher ein als vor 50 Jahren, was ebenfalls Folgen für die menschliche Gesundheit haben wird. Die Land- und Forstwirtschaft wird die verlängerte Brutzeit von wärmeliebenden Insekten zu spüren bekommen. So werden beispielsweise Insekten wie der Borkenkäfer zusätzliche Generationen innerhalb eines Jahres bilden können. 

In dem Report sind zahlreiche Studien ausgewertet, die eine Vielzahl von Veränderungen bei den Eigenschaften von Pflanzen und Tieren ermittelt haben. Beispielsweise blühen Pflanzen im Schnitt zwischen zwei und vier Tagen pro Jahrzehnt früher, und auch die Blüte von Phytoplankton und Zooplankton im Süßwasser beginnt eher im Jahr.

Jüngsten Szenarien zufolge werden sich Ende des 21. Jahrhunderts die Lebensräume vieler Pflanzenarten einige hundert Kilometer nordwärts verschoben haben. Dies bedeutet auch, dass die Wälder im Süden zurückgehen und sich im Norden ausdehnen, sowie, dass über die Hälfte der Gebirgspflanzenarten vom Aussterben bedroht sind. „Die meisten gebietsfremden Pflanzenarten stammen aus wärmeren Regionen der Erde und werden daher vom Klimawandel profitieren. Damit werden die Risiken durch invasive Arten verschärft“, erklärt Dr. Ingolf Kühn vom UFZ.

Die Tierarten wandern mit der Temperatur ebenfalls mit: im Schnitt pro Jahrzehnt elf Meter in den Gebirgen nach oben sowie 17 Kilometer nach Norden. Eine drei Grad Celsius wärmere Welt würde im Jahr 2100 bedeuteten, dass sich das Verbreitungsgebiet der Brutvogelarten um 550 Kilometer nach Nordosten verschoben, aber auch um ein Fünftel verkleinert haben wird. Die Besiedlung neuer Lebensräume setzt aber nicht nur voraus, dass die Arten dorthin kommen, sondern dort zum Beispiel auch Nahrung vorfinden. 

„Gerade für Spezialisten wie bestimmte Schmetterlingsarten, deren Raupen sich an einzelne Futterpflanzen angepasst oder auf die Hilfe bestimmter Ameisenarten angewiesen sind, stehen die Chancen schlecht, diese Wanderung zu schaffen“, befürchtet Dr. Oliver Schweiger vom UFZ. Bei starken CO2 Emissionen und Temperaturanstieg könnte 2080 bereits ein Viertel der Schmetterlingsarten über 95 Prozent ihrer Lebensräume verloren haben und drei Viertel der Schmetterlingsarten über die Hälfte der Lebensräume. 

Die direkten Auswirkungen des Klimawandels auf einzelne Arten werden zudem durch die Unterbrechung von zwischenartlichen Beziehungen, zum Beispiel in den Nahrungsketten, verstärkt werden. Neben dem ethischen Verlust, dass die kommenden Generationen Tier- und Pflanzenarten nicht mehr erleben werden, die für ihre Eltern und Großeltern noch selbstverständlich waren, drohen auch Verluste für die Volkswirtschaften, deren Dimension noch nicht abzuschätzen sind. Schließlich ist die Vielfalt an unterschiedlichen Arten auch eine Art „kollektive Lebensversicherung“. So hat es die EU in ihrer „Biodiversitätsstrategie 2020“ genannt.

Der Bericht „Klimawandel, Auswirkungen und Gefährdung in Europa 2012“ zeigt zudem, dass in Europa die Durchschnittstemperaturen angestiegen sind und die Niederschläge in den südlichen Regionen zurückgehen, während sie im nördlichen Europa zunehmen. Die Eisdecke auf Grönland, das Meereis in der Arktis und zahlreiche Gletscher in Europa schmelzen, Schneedecken schwinden und viele ehemalige Dauerfrostböden tauen zeitweise auf. 

Extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen Fluten und Dürre führten in Europa während der vergangenen Jahre zu Schäden in steigender Höhe. Obwohl zusätzliche Nachweise erforderlich sind, um den Beitrag des Klimawandels im Rahmen dieses Trends zu verstehen, ist die zunehmende menschliche Aktivität in den gefährdeten Gebieten ein Schlüsselfaktor. Es wird erwartet, dass der künftige Klimawandel diese Gefährdung verstärkt, da davon ausgegangen wird, dass extreme Wetterereignisse intensiver und häufiger auftreten. Wenn sich die europäischen Nationen nicht anpassen, werden die durch die Schäden verursachten Kosten laut dem Bericht weiter steigen. 

Bestimmte Regionen sind weniger in der Lage, sich an den Klimawandel anzupassen, als andere, was dem Bericht zufolge teilweise auf die wirtschaftlichen Unterschiede in Europa zurückzuführen ist. Die Auswirkungen des Klimawandels könnten diese Ungleichheiten verschärfen.
Jacqueline McGlade, die Direktorin der Europäische Umweltagentur (EEA), sagte in diesem Zusammenhang: „Der Klimawandel ist weltweit eine Realität, und das Ausmaß und die Geschwindigkeit dieses Wandels zeichnen sich immer deutlicher ab. Dies bedeutet, dass alle Bereiche der Wirtschaft und auch die Haushalte sich anpassen und die Emissionen reduziert werden müssen.“

Der Bericht soll das volle Ausmaß der Auswirkungen des Klimawandels in Europa aufzeigen. Er bildet zudem eine Grundlage für die Anpassungsstrategie der Europäischen Kommission, die im März 2013 zur Veröffentlichung vorgesehen ist. Darüber hinaus wird die EEA die Strategie mit einer Bewertung einer Auswahl von Anpassungsmaßnahmen in Europa unterstützen, die Anfang 2013 veröffentlicht werden soll.

Quelle: Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)

  

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