Artikel vom 16.01.2012, Druckdatum 25.04.2024

Rösler fordert „Modernisierung“ des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)

In einem Interview mit dem „Handelsblatt“ stellte der FDP-Bundesvorsitzende und Bundeswirtschaftsminister Phillipp Rösler erneut das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Frage. In seiner jetzigen Form habe es sich „überlebt“ und müsse „grundsätzlich reformiert“ werden. Auch die deutlich reduzierte Förderung der Photovoltaik bei der es 2012 nach geltendem Gesetz zu einer weiteren Reduzierung um 27,7 Prozent kommen wird, wird von Rösler nach wie vor scharf angegriffen.

Die starke Nachfrage nach Photovoltaik Anlagen im vergangenen Jahr ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen: deutlich gesunkene Preise für Solarstrommodule und schlüsselfertige Solarstromanlagen, milde Witterungsverhältnisse im Dezember, die im Herbst angekündigte Absenkung der Förderung zum Jahreswechsel in Höhe von 15 Prozent sowie die von Teilen der Politik geschürte Angst vor einer Kappung der Solarförderung. 

Genau diese starke Nachfrage nach Solarstrom-Anlagen aber sorgt jetzt schneller als erwartet für sinkende Fördersätze für neue Photovoltaik Anlagen. Dies ist Resultat der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Demnach wird sich die Einspeisevergütung 2012 für Photovoltaik um 27,7 Prozent reduzieren: um 15 Prozent zum 1. Januar 2012 und voraussichtlich um weitere 15 Prozent zum 1.7.2012. Unter der schwarz-gelben Bundesregierung wird die Solarförderung damit binnen zweieinhalb Jahren nahezu halbiert. 

In einem Interview mit dem „Handelsblatt“ (Ausgabe 16.01.2012) äußert sich Bundeswirtschaftsminister Phillipp Rösler zum Thema Erneuerbare Energien und Energiewende. Rösler weist darin darauf hin, dass er als Wirtschaftsminister zuständig sei für Netze, Kraftwerke, Speicher, Energieeffizienz und Energieforschung und somit der „Energieminister“, während der Umweltminister lediglich „den Ausbau der Erneuerbaren Energien“ verantworte.

Nichtsdestotrotz fordert Rösler eine „Modernisierung“ des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Den Zubau bei der Photovoltaik will Rösler auf ein noch niedrigeres Niveau als bisher begrenzen. Auch hier möchte er „anpassen und modernisieren“. Der FDP-Bundesvorsitzende moniert, dass die Mehrkosten aus den festen Einspeisevergütungen „alle Stromverbraucher“ belasteten. Diesbezüglich nehme er „die Sorgen der Industrie sehr ernst“. Die FDP habe dort auch „bereits konkret geholfen, indem wir für besonders energieintensive Unternehmen Entlastung bei den Netzentgelten geschaffen haben“, verdeutlicht Rösler. Außerdem greife die Befreiung von der EEG Umlage nun für eine größere Zahl von Unternehmen. „Alle Stromverbraucher“ sind bei der FDP eben nicht „alle Stromverbraucher“. 

Hier Auszüge aus dem Handelsblatt-Interview: 

Frage: Die Erneuerbaren Energien spielen bei der Energiewende eine tragende Rolle. Ist ihre Förderung in der jetzigen Form auf Dauer vertretbar?

Rösler: Wir müssen die Balance zwischen einem schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien auf der einen und einer wirtschaftlichen, sicheren Energieversorgung auf der anderen Seite finden. Im Moment ist diese Balance nicht gegeben. Eines ist klar, Strom muss für jeden einzelnen Verbraucher und für die Wirtschaft bezahlbar bleiben. Deswegen ist es das Ziel der Bundesregierung, die Umlage für die Förderung der Erneuerbaren Energien bei rund 3,5 Cent je Kilowattstunde stabil zu halten und einen Anstieg zu vermeiden.

Frage: Glauben Sie im Ernst, dass die Bundesregierung diese Zusage einhalten kann? 

Rösler: Das wird nicht leicht, ist aber ein wesentliches Ziel. So sprengt beispielsweise die derzeitige Ausbaugeschwindigkeit bei der Photovoltaik das wirtschaftlich vernünftige Maß. Der Ausbau ist im vergangenen Jahr in einer Größenordnung voran geschritten, die die Planungen und Erwartungen um den Faktor zwei bis drei überstiegen hat. Erklärtes Ziel ist es, den jährlichen Zubau an Photovoltaik Anlagen auf 2.500 bis 3.500 Megawatt installierter Leistung zu begrenzen. Tatsächlich wurden aber 7.500 Megawatt neu installiert. Wir wollen die staatliche Förderung auf diesen Zubau begrenzen, nicht aber den Ausbau von Solarenergie selbst. Das müssen wir unbedingt angehen. Im letzten Jahr wurden nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) über 13 Milliarden Euro an die Erneuerbaren gezahlt. Die Hälfte dieser Kosten geht an die Photovoltaik obwohl nur drei Prozent der Stromerzeugung aus der Solarenergie stammen. Ich sehe da ein eklatantes Missverhältnis, das mir weder volkswirtschaftlich noch energiewirtschaftlich sinnvoll oder zukunftsfähig erscheint.

Frage: Wie wollen Sie gegensteuern?

Rösler: Wenn der Ausbau der Erneuerbaren Energien bezahlbar bleiben soll, müssen wir das Fördersystem anpassen und modernisieren. Es ist eine wichtige Aufgabe des Wirtschaftsministers, die Bezahlbarkeit und Zuverlässigkeit der Energieversorgung des Wirtschaftsstandortes Deutschlands heute und in Zukunft im Blick zu behalten.

Frage: Was schlagen sie konkret vor?

Rösler: Wir müssen den Zubau bei der Photovoltaik auf ein viel niedrigeres Niveau als bisher begrenzen.

Frage: Wollen Sie eine absolute Obergrenze?

Rösler: Nein, wir sollten den „atmenden Deckel“ beibehalten. Aber die Vergütung muss weiter sinken, schon ab einem niedrigeren jährlichen Zubauniveau als es bisher der Fall ist. Momentan setzt diese Degression erst ab 3.500 Megawatt pro Jahr ein.

Frage: Das würde kurzfristig zu einer Kostensenkung führen. Auf lange Sicht ist das aber sicher zu wenig. Was schlagen Sie vor?

Rösler: Ich komme immer mehr zu der Überzeugung, dass sich das EEG in seiner jetzigen Form überlebt hat und grundsätzlich reformiert werden muss. Es ist in den 90er Jahren von einer schwarz-gelben Bundesregierung als „Stromeinspeisegesetz“ eingeführt worden und hatte das Ziel, als Markteinführungsgesetz zu wirken. Die Erneuerbaren Energien spielten damals in der Stromerzeugung eine kaum wahrnehmbare Rolle. Das Gesetz sollte dazu beitragen, die Erneuerbaren Energien aus ihrem Nischendasein heraus zu führen.

Frage: Das ist ja gelungen. Warum sollte man diesen Erfolg kritisieren?

Rösler: Weil wir das EEG jetzt modernisieren müssen. Das EEG garantiert den Betreibern der Anlagen feste Einspeisevergütungen, die weit über den Marktpreisen liegen. Die Mehrkosten zahlen alle Stromverbraucher. Die Frage nach der effizientesten Form der Stromproduktion aus Erneuerbaren Energiequellen, wird gar nicht mehr gestellt. Mittlerweile kommen 20 Prozent des Stroms, der in Deutschland verbraucht wird, aus Erneuerbaren Quellen. Die Erneuerbaren sind damit längst kein Nischenprodukt mehr. Sie sind vielmehr zur zweitwichtigsten Quelle der Stromerzeugung in Deutschland geworden. Die jetzige Form der hohen Förderung lässt sich bei dieser Größenordnung deshalb mittelfristig nicht durchhalten. Das sprengt auf Dauer das System und ist nicht zukunftsfähig.

Frage: Welche Mechanik schlagen sie stattdessen vor?

Rösler: Hier bedarf es einer intensiven und offenen Diskussion über mögliche neue Wege. Im Prinzip ist ein Mengenmodell ein wettbewerbsorientierter und technologieoffener Ansatz. Die Energieversorger würden damit verpflichtet, einen bestimmten Anteil ihres Stroms aus erneuerbaren Quellen zu liefern. Es bliebe ihnen selbst überlassen, aus welcher erneuerbaren Quelle der Strom kommt. Der Markt würde somit entscheiden.

Frage: Das bedeutete aber das Aus für die Photovoltaik in Deutschland. Wollen Sie das wirklich?

Rösler: Das wäre nicht das Aus für die Photovoltaik Die Kosten für die Photovoltaik gehen aufgrund des Wettbewerbsdrucks immer weiter nach unten. Die Stromerzeugung aus Photovoltaik wird dadurch im Laufe der Zeit wieder attraktiv. So würde ein echter Effizienzwettbewerb entstehen. Der Staat müsste das nicht lenken. Und das wäre sehr gut so. Für alle Energieverbraucher und für das gesamte Energieversorgungssystem.

Frage: Die Erneuerbaren profitieren stark vom Einspeisevorrang. Ist er auf Dauer haltbar?

Rösler: Wir diskutieren offen über effizientere, modernere Marktmodelle bei der Energieversorgung. Diese Diskussion ist noch nicht abgeschlossen.

Frage: Ist das mit der jüngsten EEG Novelle eingeführte Marktprämienmodell aus Ihrer Sicht ein Fortschritt?

Rösler: Ich befürworte alle Instrumente, die das EEG marktwirtschaftlicher ausgestalten. Deshalb hat mein Haus das Marktprämienmodell vorgeschlagen.

Frage: Tatsächlich verursacht es aber steigende Kosten...

Rösler: Die Idee weist grundsätzlich und volkswirtschaftlich in die richtige Richtung, auch wenn wir das Modell möglicherweise weiter optimieren können.

Frage: Mit ihren Vorstellungen zum EEG werden Sie bei Bundesumweltministers Norbert Röttgen sicher keinen Jubel auslösen. Gefährdet es nicht die Umsetzung der Energiewende, dass die beiden Häuser so häufig gegeneinander arbeiten?

Rösler: Es gibt eine klare und sinnvolle Abgrenzung der Themen und Aufgaben innerhalb der Bundesregierung. Der Wirtschaftsminister ist zuständig für Netze, Kraftwerke, Speicher, Energieeffizienz und Energieforschung. Er ist somit der Energieminister. Der Umweltminister verantwortet den Ausbau der Erneuerbaren Energien.

Frage: Nach außen entsteht häufig der Eindruck, dass der Wirtschaftsminister und der Umweltminister um die Meinungsführerschaft kämpfen. Verstärkt wird dieser Eindruck beispielsweise dadurch, dass die beiden Häuser parallel mit der Energiewende befasste Branchen zu Gesprächen einladen. Ist das konstruktives Zusammenwirken?

Rösler: Es ist sinnvoll und richtig, dass sich die beteiligten Behörden mit den jeweiligen Akteuren der Energiewende zusammensetzen. Wir haben ein gemeinsames Ziel und wollen es auch gemeinsam erreichen. Da sind wir uns völlig einig. Die Energiewende bringt enorme Chancen für Deutschland, stellt uns allerdings auch vor große Herausforderungen. Da ist kein Platz für Kompetenzstreitigkeiten. Ich nenne Ihnen ein aktuelles Beispiel: Am letzten Freitag haben wir in einem gemeinsamen Spitzengespräch mit allen Offshore-Akteuren im Wirtschaftsministerium drängende Probleme im Bereich Windenergie angepackt. Resultat ist unter anderem eine Arbeitsgruppe Beschleunigung, die von allen Beteiligten sehr begrüßt wurde.

Frage: Die Industrie sieht sich als Opfer der Energiewende. Sie befürchtet steigende Preise und wachsende Versorgungsunsicherheiten. Haben Sie für diese Sorgen Verständnis?

Rösler: Ich nehme die Sorgen der Industrie sehr ernst. Wir haben auch bereits konkret geholfen, indem wir für besonders energieintensive Unternehmen Entlastung bei den Netzentgelten geschaffen haben. Außerdem greift die Befreiung von der EEG Umlage nun für eine größere Zahl von Unternehmen. Das ist wichtig für den Industriestandort Deutschland. Zusätzlich kämpfen wir in Brüssel für Strompreiskompensationen. Hier haben wir auch schon einiges bewirken können. Für bestimmte Belastungen der Industrie muss es einen Ausgleich geben. Allerdings können wir noch nicht zufrieden sein. Die deutsche Industrie darf keine Wettbewerbsnachteile erleiden. Denn internationale Konzerne treffen ihre Investitionsentscheidungen auch mit Blick auf die Stromkosten. Wenn wir nicht aufpassen und jetzt gegensteuern, könnte eine schleichende Deindustrialisierung die Folge sein. Welche Auswirkungen das hat, sehen wir an anderen Ländern. Das müssen wir unbedingt verhindern. Dafür setze ich mich ein.

Frage: Bleibt Deutschland trotz Energiewende ein Industrieland?

Rösler: Wachstum und Wohlstand können wir in einem Land wie Deutschland nur mit einer wettbewerbsfähigen Industrie sicherstellen. Auch die Energiewende gelingt nur mit der Industrie, denn sie erfordert Industrieprodukte. Windräder lassen sich nicht ohne Stahl bauen. Elektromobilität lässt sich ohne chemische Grundstoffe nicht organisieren. Das können Sie auf alle Bestandteile übertragen, die für die Energiewende unerlässlich sind.

Auszug aus dem „Handelsblatt“-Interview mit Phillipp Rösler (FDP) (Ausgabe 16.01.2012). Die Fragen stellten Jürgen Flauger, Thomas Sigmund und Klaus Stratmann. 

Quelle: FDP-Bundespartei

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