Artikel vom 20.04.2006, Druckdatum 19.04.2024

„Das Flugzeug fliegt ja sowieso“

Mittlerweile ist es Standardwissen: Hauptursache des Klimawandels ist die Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erdgas. Das durch die Verbrennung freigesetzte Kohlendioxid (CO2) sorgt für den so genannten Treibhauseffekt der zur Erwärmung der Erdatmosphäre beiträgt. Seit Jahren fordern Umweltaktivisten und -verbände eine drastische Umkehr beim Thema Energieversorgung und –verbrauch. Nur: Werden sie wirklich gehört?

Ja, die neue Bundeskanzlerin hat zum Energiegipfel geladen. Ja, der neue Umweltminister hält (bisher) am beschlossenen Atomausstieg seiner Partei fest. Ja, die erneuerbaren Energien sollen ausgebaut werden. Ja, wir alle wollen eigentlich das Klima und die Umwelt schützen. Eigentlich.

Nach wie vor aber stauen sich die Blechlawinen auf den Straßen, glauben wir an das „Grundrecht“, zum Vergnügen zu fliegen, wollen wir das „frische“ Gemüse aus Ägypten, Spanien oder Holland. Nach wie vor greifen wir gedankenlos zu dem, was billig ist, ohne zu fragen, warum es so billig sein kann? Und wie es in unsere Läden kam? Nach wie vor wollen wir die billige Lösung, das schnelle „Schnäppchen“, den eigenen Profit. Auch wenn dafür andere Menschen bezahlen müssen oder die Umwelt geschädigt wird. „Das Flugzeug fliegt ja sowieso“.

Warum fällt es so schwer, die dramatischen Bilder der Hochwasserkatastrophe in Osteuropa mit dem eigenen konkreten Handeln in Verbindung zu bringen? Warum denken wir bei einem 50 Cent-Schnitzel nicht an die schrecklichen Bildern von unwürdig behandelten Lebenwesen? Warum regen wir uns über „Landschaft verschandelnde“ Windräder auf, stören uns aber nicht an Kilometer weit zu sehenden Atommeilern? Was hat uns so träge, abgestumpft, kurzsichtig gemacht? Oder ist „der Mensch“ einfach so?

Nicht einmal die Katastrophe von Tschernobyl oder das massive Bedrohungsszenario, das uns derzeit aus dem Iran entgegenschwappt, lässt uns von der Kernkraft lassen. Noch immer leisten wir uns eine Armada an Elektrogeräten, die Strom verplempern. Strom der unsere Abhängigkeit von Atomenergie oder ausländischen Energielieferanten weiter erhöht. Auch Strom der durch die Verbrennung von Kohle erzeugt wird und dadurch für ein Viertel der weltweiten CO2 Emissionen verantwortlich ist. Aber jetzt kommt ja die WM! Da brauchts ein neues Elektronik-Equipment.

Das Bundesumweltministerium will uns die Energiewende schmackhaft machen, indem es immer wieder beteuert, dass der Umstieg keine Einbuße an Lebensqualität bedeuten muss. Als ob das das wichtigste Kriterium wäre.

Schon oft gesagt, vielleicht zu oft: Wenn wir die Energiewende nicht schaffen, wird sich die „Lebensqualität“ sowieso ändern. Sie ist bereits dabei. Noch sind „nur“ die Menschen in Flussnähe betroffen. Und die mit Feinstauballergie. Und die, die sich die steigenden Arzneimittel- oder Energiekosten nicht mehr leisten können. Und die, die ihr Land verlassen müssen, weil es zur Wüste wird. Oder zum Meer.

Vielleicht weil es so schleichend vonstatten geht, gewöhnen wir uns so leicht daran. Wir richten uns ein mit den Katastrophen und hoffen, dass sie uns verschonen mögen. Und unterlassen noch viel zu oft, was wir eigentlich tun müssten: Konsequenzen ziehen. Für uns und unsere Zukunft. Oder auch für die anderen und deren Zukunft. Aber vielleicht ist das schon wieder viel zu weit weg? 

Autorin: Petra Forberger für www.solarportal24.de


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