Artikel vom 11.10.2007, Druckdatum 16.04.2024

Menschen sind bereit für neue Lösungen

10.000 Kilometer hat das Solartaxi jetzt hinter sich – fast ein Viertel des Erdumfangs. Dabei bangten der Schweizer Louis Palmer und sein Team vor Kurzem noch um ihre Weiterfahrt. Doch sie mussten nicht auf einem Kamel weiterreisen und landeten pünktlich in Dubai, „dem Land der Superlative“, wie Palmer notiert. Vor der Verschiffung des Solartaxis nach Indien zieht der Solarpionier ein erstes Resümee: „Es scheint, die neuen Lösungen sind nicht nur bereit für die Menschheit, sondern immer mehr Menschen sind auch bereit für neue Lösungen.“

Verschiedene Szenarien gingen der Solartaxi-Crew in Riad, wo ihr Solarmobil wegen eines Schadens am Fahrgestell liegengeblieben war, durch den Kopf: Im positivsten Fall würde das Solartaxi noch am selben Tag perfekt geschweißt und zusammengesetzt sein, damit Riad rechtzeitig vor Ablauf des Transitvisums verlassen werden konnte. „Im schlimmsten Fall... äh, lassen wir das besser“, so Palmer in seinem Solartaxi-Reisetagebuch. Es trat nämlich der extreme Idealfall ein: nach zwei Tagen „intensivster Arbeit“ in der Werkstatt konnte die Reise tatsächlich weitergeführt werden.

Dazu müsse man wissen, so Palmer, dass das Fahrgestell des Solartaxis zur Gewichtsersparnis aus Aluminium konstruiert ist, was natürlich viele Vorteile gegenüber Stahl habe (beispielsweise Rostfreiheit), aber natürlich viel schwieriger zu bearbeiten sei. Schon die Suche nach einem Aluminiumschweißer war nicht leicht, dazu kommt die hohe Temperatur des Schweißvorganges und die hervorragende Wärmeleitung des Materials, weshalb der gesamte Motor ausgebaut werden musste, um ihn nicht zu beschädigen. Und das bedeutete, dass das Fahrzeug in seine kleinsten Einzelteile zerlegt werden musste. „Aber jetzt ist das Solartaxi nicht nur repariert, sondern durch neue Verstrebungen stabiler als je zuvor“, freut sich der Schweizer.

Nach einer einsamen Nachtfahrt erreicht die Crew die Vereinten Arabischen Emirate und den Golf in Abu Dhabi. Weil dort wenige Tagen zuvor der heilige Monat Ramadan begonnen hat, bedeutet das auch für die Fremden aus Europa Einschränkungen: Beispielsweise ist das Trinken in der Öffentlichkeit nicht erlaubt. „Der Arbeitsalltag ist dadurch natürlich sehr eingeschränkt, das Leben ist langsam, Behörden und Firmen arbeiten nur drei Stunden pro Tag oder bleiben ganz geschlossen. Was natürlich auch einen unserer Programmpunkte sehr beeinträchtigt: Hier in den Emiraten müssen wir uns um unser Visum für Indien kümmern. Dies wird vermutlich noch eine komplizierte Angelegenheit“, fürchtet Palmer.

In Abu Dhabi haben sie mehr Presse als jemals zuvor. „Je weiter wir auf unserer Reise sind, desto spektakulärer ist unsere Geschichte für Zeitungen und Fernsehen. Gestern waren wir groß und farbig in allen großen Zeitungen der Vereinigten Arabischen Emirate drin. Und heute waren schon wieder alle Zeitungen da, und berichten, dass wir nun in Dubai sind. 170 Kilometer weiter als noch in Abu Dhabi. Vermutlich ist es schon eine Sensation, dass wir ungeachtet des Solartaxis überhaupt auf dem Landweg von Europa hierher gefahren sind. Wahrscheinlich haben das noch nicht viele Menschen gemacht. Alle fragen uns, wann wir denn wieder zurückkommen. Ungläubige Blicke, wenn ich ihnen erkläre, dass wir nicht zurückfahren, sondern immer nur geradeaus.“

Nach drei Nächten in Abu Dhabi geht’s weiter nach Dubai. In Dubai „glitzert und glänzt alles“, wie Palmer notiert, „riesige Kräne und Wolkenkratzer ragen in den Himmel. Die Wüste zwischen den beiden Großstädten ist schmal geworden, riesige Entwicklungsprojekte dehnen sich in alle Richtungen aus und machen das Ödland zur Vorstadt. Vom Pool im 14. Stockwerk sehen wir auf die extremen Gegensätze der Wunderstadt Dubai: Direkt neben dem Hotel breitet sich der Stückguthafen aus, hölzerne Frachtschiffe wie aus dem Museum entladen ihre Waren. Dahinter die glänzende Skyline und die im Minutentakt landenden Emirates-Maschinen“, beschreibt Palmer die Szenerie.

Eine Woche verbringt die Solartaxi-Crew in Dubai, bevor sich das Solartaxi per Schiffs-Container auf den Weg nach Indien macht. Nach 10.000 Solartaxi-Kilometern zieht Palmer erstmals Bilanz: „Die Reise ist eine Reise der Paradoxe. Die Befürchtung, dass das selbstgebaute Auto schlapp macht, ist nicht eingetroffen. Auch nicht die Befürchtung, dass wir in vielen Ländern einfach ignoriert werden. Ganz im Gegenteil: Die Hilfsbereitschaft ist überall riesengroß.“

Und weiter: „Das Solartaxi mag nicht das schnellste Auto auf den Straßen sein, aber Daumen nach unten oder genervte Gesten habe ich seit unserer Abreise (entgegen meiner Annahme) noch gar keine gesehen, stattdessen unzählige Daumen nach oben. Und das Land, das am meisten Erdöl produziert und keine Touristen reinlässt, hat uns nicht etwa ausgesperrt, wie befürchtet, sondern sich am meisten um unsere Sicherheit gekümmert. Dort, wo wir herkommen, war das Medieninteresse am geringsten, und je weiter wir kommen, umso mehr Medien ziehen wir an.“

Sein erstes Fazit: „Fast nichts, was wir vorhergesehen und befürchtet haben, ist eingetroffen. Dafür aber allerhand Unvorhersehbares. Wir fahren nicht nur mit Sonnenenergie rund um die Erde, sondern auch auf einer Welle der Begeisterung.“ Hier zitiert Louis Palmer Yiachie Lootah, den einflussreichen Vice-Chairman der S.S. Lootah Group mit 14.000 Mitarbeitern: „Ihr seid nicht die Einzigen auf dieser Welt, die sich Sorgen um die Zukunft machen. Ich habe euch eingeladen, damit ihr versteht, dass auch andere Menschen überall auf dieser Welt sich um eine bessere Zukunft kümmern.“

„Es scheint, die neuen Lösungen sind nicht nur bereit für die Menschheit, sondern immer mehr Menschen sind auch bereit für neue Lösungen“, resümiert Palmer deshalb kurz vor der Weiterfahrt nach Indien.

Quelle: Louis Palmer, SPIEGELonline


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